Szenen, die wichtig sind

Ich habe letztens einen Workshop mit dem Titel "Szenen, die wichtig sind" gegeben. Ich bin sehr begeistert von der Arbeit und der Reaktion der Teilnehmer.

Ganz allgemein entstehen viele meiner Workshop-Themen durch Reflexion über die Zeit, als ich bei Keith Johnstone am Loose Moose Theater lernte. Was wir lernten und wie wir es erlernten. Wie diese Erfahrung und das Lernen einen bestimmtem Typ von Impro-Spieler*innen erzeugte und eine bestimmte Art zu arbeiten. Was ist dies und wie kann ich es mit anderen teilen?

Oft denke ich über einen Aspekt nach: Am Loose Moose Theater wurde Improvisation nicht in komisch oder ernsthaft unterteilt. Es ging darum, Geschichten erzählen. Das war offensichtlich und genau dies taten wir.

Ich fühle mich immer unwohl, wenn eine Szene mit dem Satz "Jetzt spielen wir eine ernsthafte Szene" eingeleitet wird. Wir sagen ja auch nicht: "Wir spielen jetzt eine amüsante Szene." Also warum? Warum muss man es vorher wissen? Machen wir es, damit alle Spieler*innen bescheid wissen, jetzt keine Witze zu liefern? Und wenn es so ist, warum fühlen die Spieler*innen nicht, was die Show gerade wirklich braucht?

Sagen wir es dem Publikum, damit wir die Erlaubnis zum ernsthaften Spiel bekommen? Zweifeln wir am Publikum, dass es uns verstehen wird?

Vielleicht kommt das Bedürfnis nach Kennzeichnung aus den Wettkämpfen des Theatersports(™) mit unerfahrenen Schiedsrichtern. Eine jede Szene mit Ruhe, Inhalt, Herz und Komplexität wird schnell mal nicht beachtet. Unerfahrene Schiedsrichter können gefährlich sein. Sie können das Bedürfnis nach dem Lustigen intensivieren. Sie verwechseln die Stille im Publikum mit Langeweile, anstatt es als emotionale Beteiligung zu erkennen. Vielleicht haben die Impro-Spieler*innen gelernt, dass sie Szenen als ernsthaft bezeichnen müssen, damit die Schiedsrichter ihnen Zeit geben, sie zu entwickeln. Wenn dem so ist, müssen wir die Schiedsrichter und Spieler*innen unterrichten, wie man wirklich Theatersport(™) spielt.

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir im Moose die Szenen jemals eingeteilt hätten. Ich kann mich nicht an Workshops speziell über Wahrheit oder Comedy erinnern. Der Fokus lag auf der Geschichte, nicht auf der Art von Geschichte. Eine Szene auf einer Parkbank kann lustig, bewegend, beängstigend, spannend oder lieblich sein, je nach Angeboten und wie sie genutzt werden. Egal ob das Publikum nach Luft schnappt oder lacht, es macht gleich viel Spaß.

Und wenn ich so darüber nachdenke, das Training mit Keith basierte nicht auf den Spielen. Natürlich haben wir auch Spiele gespielt, aber eine Nacht mit "Er sagte/Sie sagte" war genauso wahrscheinlich, wie eine mit einer Szene über einen Engel, der wissen wollte, was ein Orgasmus ist, einem ans Bett gefesselten Liebhaber, einer Nahtoderfahrung, oder einer aktuellen Geschichte aus den Nachrichten. Manchmal flossen die erwähnten Inhalte in Spiele wie "Er sagte/Sie sagte" ein. Alles war möglich. Wir kannten keine Grenzen.

Keith hat uns oft in das Verrückte, das Schwierige und das Intensive, wie auch in das Absurde, das Zarte und das Komische geführt. Wie ein Schnitzer, der das Holz betrachtet und darauf wartet, das sich das Bildnis von selbst zeigt, bevor er den ersten Schnitt macht. Keith folgt dem, was da ist und nutzt dies als Ausgangspunkt.

Ich erinnere mich, dass Keith uns beim Theatersport(™) ermutigte, einen Standpunkt zu haben, um etwas auf die Bühne zu bringen, das etwas offenbart. Er fragte uns Fragen wie: "Was ärgert dich?", "Was ist der Moment, der dein Leben veränderte?" Er regte Szenen zu Religion, Sex, historischen Ereignissen, Familienbeziehungen, Ritualen und Politik an und ermunterte uns so, es ihm nach zu tun. Er half uns, die Reichweite unserer Geschichten zu vergrößern, in dem Taboos überschritten wurden. Immerhin hatte er es ja vorgeschlagen, es war seine Idee. Wenn das Publikum dachte, das ist schräg, so kam es von Keith und wir waren in Sicherheit. Natürlich war mir das alles damals nicht so klar. Ich war einfach glücklich zu spielen und vertraute Keith, selbst wenn ich dachte, die Ideen sind wirklich schräg oder das Thema ist etwas merkwürdig.

Wie auch immer, ich bin wirklich traurig, dass wir mit dem weltweiten Fokus auf Comedy bei der Improvisation soviel Potential verloren haben.

Impro-Spieler*innen haben ein Stimme. Wir erschaffen Theater. Theater stellt in Frage, offenbart, erforscht, fragt und fordert. Wir schließen uns selbst ein, wenn wir Angst haben zu offenbaren oder bestimmte Themen zu spielen. Es wird uns limitieren und unsere Möglichkeiten einschränken.

- Warum nicht eine Szene über Gewalt in der Ehe?
- Warum nicht eine Szene über einen HIV positiven, drogenabhängigen S&M Tänzer?
- Warum nicht eine Szene über rücksichtslosen Ehrgeiz und politisches Streben.

Man sagt, das Publikum will das nicht sehen. Wirklich?

- Endstation Sehnsucht - Gewalt in der Ehe.
- RENT (das Musical) - ein HIV positiver, drogenabhängiger S&M Tänzer.
- Richard der Dritte - rücksichtsloser Ehrgeiz und politisches Streben.

Wir haben eine Stimme und wir können entscheiden, was wir ausdrücken wollen und wie wir es tun. Wir sind Theaterkünstler, die mit der Technik der Improvisation arbeiten. Also, wovor hast du Angst. Es könnte doch eine interessante Szene werden.

Unsere Stimme ist wichtig.

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Translation by Martin Bödicker, with permission and thanks.

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